Aktuelle Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus:
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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 1. April 2020, Az. 1 BvR 712/20:
Das Bundesverfassungsgericht hat einen Eilantrag gegen die Verbote und Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Berlin gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht nahm die mit einem Eilantrag verbundene Klage aus formalen Gründen nicht zur Entscheidung an. Der Kläger hatte sich insbesondere gegen die Versammlungsverbote und Kontaktbeschränkungen gewandt. Durch die soziale Isolierung entstünden ihm schwere und unabwendbare Nachteile. Auch das Verbot religiöser Veranstaltungen und die faktische Aufhebung der Versammlungsfreiheit hält er für unverhältnismäßig. Zur Entlastung des Gesundheitssystems stünden mildere, genauso geeignete Maßnahmen zur Verfügung. So könnten Kranke und Menschen mit Corona-Verdacht isoliert sowie Risikogruppen geschützt werden, argumentierte der Antragsteller Antragsteller. Nach Auffassung der Verfassungsrichter hätte sich der Antragsteller damit zunächst an die Verwaltungsgerichte wenden müssen. Dafür müsse er nicht - wie er behauptet hatte - erst selbst gegen die Verbote verstoßen. Es gebe durchaus einen Klageweg. Da es um eine Verordnung und nicht um ein Gesetz gehe, sei es möglich, auch ohne Anrufung des BVerfG Rechtsschutz zu erlangen. Die Richter betonen, dass sie auf eine vorherige fachgerichtliche Aufbereitung sogar angewiesen seien: Die Entwicklung der Pandemie und deren Einschätzung durch Experten seien für die Beantwortung der verfassungsrechtlichen Fragen von wesentlicher Bedeutung. Der Kläger hätte außerdem viel genauer darlegen müssen, warum mildere Maßnahmen angeblich genauso geeignet sind. Die bloße Behauptung reiche nicht.
Verwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 31. März 2020, Az. 6 L 340/20:
Das Verwaltungsgericht des Saarlandes hat einen Eilantrag gegen die Ausgangsbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie zurückgewiesen. Der Antragsteller hatte argumentiert, dass die Maßnahmen ohne gültige Rechtsgrundlage erfolgt seien und zudem unverhältnismäßig seien. Das Verwaltungsgericht sah hingegen die Ausgangsbeschränkung weder als unverhältnismäßig noch als rechtswidrig an. Bei einer Folgenabwägung habe das private Interesse des Antragstellers hinter dem öffentlichen Interesse an einem wirksamen Gesundheitsschutz der Bevölkerung des Saarlandes zurückzutreten. Das Gesundheitsministerium sei seiner grundrechtlichen Schutzpflicht nachgekommen. Es gelte, die Ansteckungen mit der Vermeidung sozialer Kontakte zu bremsen, um einen Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu vermeiden.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30. März 2020, Az. 20 NE 20.632:
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Außervollzugsetzung der entsprechenden Verordnung abgelehnt. Die Antragsteller waren der Meinung, dass durch die Corona-Verordnung ihre Freiheit nicht nachträglich wiederhergestellt werden könne. Auch sei der Eingriff durch die Verordnung durch das Infektionsschutzgesetz (IfSG) nicht gedeckt. Der Verwaltungsgerichtshof München hat in seiner ablehnenden Entscheidungsbegründung ausgeführt, dass die angegriffene Verordnung eine hinreichende gesetzliche Grundlage finde. Die Verordnungsermächtigung nach § 32 S. 1 IfSG in Verbindung mit § 28 Abs. 1 S.1 IfSG sei in der zum Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Fassung, die sie durch das "Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" vom 27. März 2020 erhalten hat, nicht zu beanstanden. Die durch die Verordnung vorgesehenen verbindlichen Einschränkungen der Grundfreiheiten der Antragsteller seien angesichts der infektionsrechtlichen Bedrohungslage gerechtfertigt. Der Verordnungsgeber sei aber laufend verpflichtet zu überprüfen, ob und inwieweit er die durch die Verordnung getroffenen Einschränkungen aufrechterhält.
Verwaltungsgericht Wiesbaden, Beschluss vom 30. März 2020, Az. L 342/20.WI):
Das Wiesbadener Verwaltungsgericht hat den Eilantrag einer Schülerin auf Aussetzung der Abiturprüfung in Hessen wegen einer drohenden Gesundheitsgefährdung durch das Coronavirus abgelehnt. Sie könne weder die vorläufige Aussetzung für alle Schüler im Land verlangen, weil ihr dafür die Antragsbefugnis fehle, noch habe sie einen Anspruch auf die Aussetzung ihrer eigenen Klausuren. Das Hessische Kultusministerium habe durch einen Erlass diverse Hinweise zur Durchführung des Abiturs an alle hessischen Schulen gesendet, denen die allgemeinen Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes zugrunde lägen. Darin werde insbesondere ein ausreichender Abstand der Schülerinnen und Schüler sowohl auf dem Schulhof als auch im Prüfungsraum gefordert. Bei der Ableistung der Klausuren sollen die Prüfungsgruppen klein gehalten werden. Außerdem solle ein regelmäßiges Lüften der Räume gewährleistet werden. Die Schule, welche die Antragstellerin besucht, sei diesen Anforderungen nachgekommen.
Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 27. März 2020, Az. Vf. 6 VII-20:
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat einen Eilantrag auf Außervollzug-setzung der vorläufigen Ausgangsbeschränkung abgelehnt. Die mit der Ausgangsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriffe seien zwar tiefgreifend. Erginge dagegen die beantragte einstweilige Anordnung und hätte die Popularklage im Hauptsacheverfahren keinen Erfolg, würde es mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Vielzahl von sozialen Kontakten kommen, die die Verordnung unterbinden will. Der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung überwiege im Rahmen der Güterabwägung.
Oberverwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 26. März 2020, Az. 5 Bs 48/20:
Das Oberverwaltungsgericht Hamburg hat einen Eilantrag einer Betreiberin mehrerer Einzelgeschäfte für den Handel mit Elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern gegen die Allgemeinverfügung der Stadt Hamburg vom 16. März 2020 zurückgewiesen. Demnach sei die in der Allgemeinverfügung vorgesehene Unterscheidung zwischen Geschäften mit einem stark spezialisierten Warensortiment und den von einer Schließung ausgenommenen Verkaufsstellen, die der Versorgung der Bevölkerung mit Waren des täglichen Bedarfs dienen, verfassungsrechtlich tragfähig.
Landgericht Berlin, Beschluss vom 26. März 2020, Az. 67 S 16/20:
Das Landgericht Berlin hat in seinem Beschluss die gerichtliche Räumungsfrist in Wohnraummietsachen bis Ende Juni 2020 verlängert. Aufgrund der vom Senat von Berlin erlassenen Verordnungen zur Eindämmung des Corona-Virus sei die erfolgreiche Beschaffung von Ersatzwohnraum für einen zur Räumung verpflichteten Mieter derzeit in Berlin überwiegend unwahrscheinlich.
Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19- Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (Drucksache 19/18110):
Der Bundestag hat am Mittwoch, 25. März 2020, einstimmig einen Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zur Abmilderung der Folgen der Covid-19- Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht angenommen.
Verwaltungsgericht Freiburg, Beschluss vom 25. März 2020, Az. 4 K 1246/20:
Das Verwaltungsgericht Freiburg hat einen Eilantrag gegen das Betretungsverbot für öffentliche Orte in Freiburg abgelehnt. Zur Begründung führt das Gericht aus, dem Antragsteller fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil es für ihn keine Vorteile gebe, wenn das Betretungsverbot der Stadt nicht mehr gelten würde. Denn das Aufenthaltsverbot für den öffentlichen Raum in § 3 der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg in der seit dem 23. März 2020 geltenden Fassung entspreche in jeder hier erheblichen Hinsicht der Freiburger Regelung zum Betreten öffentlicher Räume zu Freizeitzwecken.
Verwaltungsgericht Schleswig, Beschluss vom 25. März 2020, Az. 1 B 30/20:
Die für Gesundheits-, Hygiene-, Lebensmittel- und Arzneimittelrecht zuständige 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Schleswig hat mit Beschluss vom 25. März 2020 im vorläufigen Rechtsschutzverfahren bestätigt, dass die Untersagung der Anreise in den Kreis Nordfriesland zur Nutzung einer dort gelegenen Nebenwohnung sofort vollziehbar ist. Soweit den Antragstellern durch die ergangene Allgemeinverfügung die Anreise zu ihrer Nebenwohnung verboten wird, hat das Gericht in den Entscheidungsgründen weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Verfügung festgestellt. Im Hinblick auf die seitens der Antragsteller gerügten verfassungsmäßigen Bedenken hat die Kammer eine Anwendbarkeit der Rechtsgrundlage vor dem Hintergrund der Eindämmung der Corona-Pandemie jedenfalls für zumutbar und hinnehmbar erachtet.
Verwaltungsgericht München, Beschlüsse vom 24. März 2020, Az. M 26 S 20.1252; M 26 S 20.1255:
Das Verwaltungsgericht München hat mit Beschlüssen vom 24.03.2020 zugunsten zweier Einzelpersonen die Wirkung der Ausgangsbeschränkungen vom 20.03.2020 aus formalen Gründen vorläufig außer Kraft gesetzt. Die Gültigkeit der Ausgangsbeschränkungen bleibe jedoch im Übrigen unberührt. Das Verwaltungsgericht München stellt Regelung durch Allgemeinverfügung in Frage In seiner Begründung bezweifelte es , ob der Freistaat Bayern die ausgesprochenen Ausgangsbeschränkungen durch Allgemeinverfügung regeln durfte oder nicht durch Rechtsverordnung hätte regeln müssen. Die Beschlüsse wirken nur gegenüber den zwei Antragstellern.
Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 24. März 2020, Az. 11 S 12.20:
Der Eilantrag eines Potsdamer Bürgers auf teilweise Aussetzung des Vollzugs der SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung des Landes Brandenburg vom 22.03.2020 in Bezug auf Ansammlungen vom Oberverwaltungsgericht Berlin zurückgewiesen worden. Dem Oberverwaltungsgericht zufolge wird der Antragsteller durch die Untersagung "sonstiger Ansammlungen" nicht in seinem Recht auf Freizügigkeit verletzt. Die angegriffenen Bestimmungen fänden eine hinreichende Rechtsgrundlage im Infektionsschutzgesetz. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem neuartigen Corona-Virus auch in anderen Ländern und dessen Einstufung als Pandemie durch die WHO seien die angeordneten Schutzmaßnahmen geeignet, erforderlich und angemessen und überschritten den dem Verordnungsgeber eingeräumten Einschätzungsspielraum nicht.
Verwaltungsgericht Aachen, Beschlüsse vom 21. und 23. März 2020, Az. 7 L 230/20 und 7 L 233/20:
Das Verwaltungsgericht Aachen hat mit Beschlüssen vom 21.03.2020 und 23.03.2020 zwei Eilanträge von Betreibern einer Lottoannahmestelle und eines Pralinenfachgeschäfts abgelehnt, mit denen diese sich gegen die Schließung ihrer Betriebe gewendet hatten. Grundlage für die Schließung ist eine Allgemeinverfügung der Stadt Würselen vom 18.03.2020. Die Stadt Würselen habe in der Allgemeinverfügung nachvollziehbar dargelegt, dass die dort getroffenen Maßnahmen zur Risikominimierung erforderlich seien, um nach dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse besonders anfällige Personengruppen vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus zu schützen.